Foto: Thomas Mittmann
Der erste Stillstand kam letztes Jahr kurz vor Corona. Sportunfall im Januar 2020. Komplizierter Schlüsselbeinbruch, OP unter Vollnarkose. Der OP Termin war für 12 Uhr angesetzt, drangekommen bin ich 19 Uhr. „Da ist noch ein Beckenbruch reingekommen, das kann man nicht auf die lange Bank schieben“, sagte mir die Schwester als ich gegen 17 Uhr nachfragte ob es schon eine ungefähre Tendenz gibt wann oder ob ich heute überhaupt noch drankommen kann. Um sieben war ich an der Reihe, die OP dauerte fast 3 Stunden.
Jetzt, über ein Jahr später, ist die Platte wieder draußen. Zwölf Zentimeter Titan liegen als Mahnmal auf meinem Schreibtisch. Der Knochen ist gut verheilt. Einschränkung gibt es keine. Ich bin froh und dankbar darüber. Ich bin dankbar, dass sich der Arzt und das ganze OP-Team am Ende dieses harten Arbeitstages genau die Zeit genommen haben, die es brauchte, damit ich meine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit wiedererlangen konnte. Ich hatte damals Angst, dass ich meinen Körper, also mein Instrument, nicht wieder in vollem Umfang nutzen kann.
Was wäre gewesen, wenn der Chirurg gesagt hätte: „Ich muss dann noch mindestens eine Stunde Berichte schreiben, bei meinen Überstunden mache ich die OP heute nicht mehr!“? Oder wenn das Team auf der Station gesagt hätte: „Tut uns leid, wir haben zu wenig Personal, wir können deshalb niemanden mehr aufnehmen, gehen sie bitte wieder nach Hause.“? Was wäre, wenn es plötzlich geheißen hätte, “unsere Kraftreserven sind erschöpft, wir haben einen zu kleinen Personalschlüssel, wir können heute nicht mehr arbeiten, sonst werden wir selber krank”?
Menschen in den Arzt- und Pflegeberufen dürfen nicht streiken, denn es wäre für Patienten mitunter lebensgefährlich oder das sichere Todesurteil.
Das System, was uns rettet, uns wieder zusammenflickt, uns am Leben erhält, haben wir aber einem absoluten Kostenoptimierungsdruck unterworfen. Die Menschen, die da drinnen arbeiten, sind diesen Dynamiken tagtäglich ausgesetzt. „Die Triage findet eigentlich den ganzen Tag im Kopf statt“, sagte mir ein Verwandter, der als Intensivpfleger arbeitet. „Wenn ich mir mehr Zeit für einen Patienten nehme, weil es gerade wichtig ist, dann nehme ich die Zeit konkret einem anderen Patienten weg.“ Er meinte zu mir, es geht oft nicht um mehr Gehalt, sondern um bessere Arbeitsbedingungen. Das heißt konkret: mehr Personal!
Mehr Personal für eine Pausentaste, denke ich. Zum Luft holen, zum Kraft tanken, zum gesund bleiben.
Ich möchte sehr gerne eine Organisation unterstützen, die sich ganz konkret für mehr Personal in den Pflegeberufen einsetzt. Kennt jemand so eine Organisation? Ich habe bisher keine gefunden.